Ein bisher meist unbekanntes Gesetz erhält nun Bedeutung.
Und jeden Tag wird von der Politik nach dem Motto: "Haftung für Unternehmer rauf - Verantwortlichkeit der Politik runter" eine neue Sau durch das Dorf getrieben.
Das meist unbekannte "Nachweisgesetz" erhält Bedeutung. Beschrieb es bisher Selbstverständlichkeiten in wenigen Paragrafen, erlangt es durch die Gesetzesänderung für Sie als Unternehmerin und Unternehmer an Bedeutung.
Arbeitgeber sind wieder in der Pflicht, ganz egal was bisher bereits zur Information der Arbeitnehmer zum Thema bAV erfolgte.
Das aus dem Jahr 1985 stammende Nachweisgesetz wurde novelliert und soll eine Verbesserung der Arbeitnehmerrechte in einer modernen Arbeitswelt schaffen. Dabei war die betriebliche Altersversorgung (bAV) bereits wesentliche Arbeitsvertragsbedingung und musste auch in der Vergangenheit berücksichtigt werden. Vielen Firmen hatten bereits agiert und Ihren Mitarbeitern die Möglichkeiten einer Versorgung über den Rahmenvertrag des Unternehmens bei einem solventen Versicherer angeboten. Aber das reicht nicht mehr aus.
Die betriebliche Altersversorgung wurde nun im Gesetz ausdrücklich erwähnt (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 NachwG).
Im Hinblick auf die bAV muss der Arbeitgeber ausdrücklich über folgendes informieren:
- Wahlrecht des Arbeitnehmers zur Auszahlung der Vergütung in Form einer Entgeltumwandlung
- Arbeitgeberzuschuss nach § la Abs. la BetrAVG sowie eine mögliche zusätzliche Förderung
- Fälligkeiten der Auszahlung einer betrieblichen Altersversorgung sowie Art der Auszahlung (Kapital oder Rente)
- in Einzelfällen: Name und Anschrift des Versorgungsträgers
Der Arbeitgeber hat diese Informationen (ausschließlich in Bezug auf die bAV) dem Beschäftigten innerhalb diverser Fristen (vom ersten Arbeitstag bis ein Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses) schriftlich auszuhändigen. Die Niederschrift muss alle Informationen enthalten. Ein Verweis auf ein anderes Dokument oder einen Aushang im Unternehmen usw. sind nur zulässig, wenn es sich dabei um Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen handelt. Alle anderen Verweise sind unzulässig.
Tritt ein neuer Arbeitnehmer ins Unternehmen ein, ist es nicht erforderlich, dass die Aushändigung dieser Niederschrift „verlangt" wird. Dies gilt lediglich bei bereits Beschäftigten, dann aber auch innerhalb kurzer Fristen.
Sie haben als Arbeitgeber zahlreiche Informationspflichten, die sich aus § 4a BetrAVG ergeben.
Form der Information
Der Gesetzgeber verlangt die schriftliche Information. Gem. § 126 BGB bedeutet das:
- Erstellung des Schriftstücks
- persönliche Unterschrift
- Vertretungsberechtigte Person
- Übergabe des Originals an den Beschäftigten
- Dokumentation und Archivierung der Übergabe
Bußgelder
Neu ist, dass ein Verstoß gegen die Pflichten des Nachweisgesetzes strafbewehrt ist und ein Bußgeld für jeden Verstoß verhängt werden kann (§ 4 NachwG). Ordnungswidrig handelt danach der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer eine wesentliche Vertragsbedingung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder nicht rechtzeitig aushändigt.
Entgeltumwandlungsvereinbarung noch schriftlich?
Die Fachanwaltskanzlei für betriebliche Altersversorgungen KLEFFNER Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Markkleeberg weist daraufhin: "...dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in seinem Schreiben vom 07.07.2022 an die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (aba) mitteilte, dass „Das Nachweisgesetz (...) nach Auffassung des BMAS auf Betriebsrenten in der speziellen Form der Entgeltumwandlung nicht anwendbar (ist)."
Ob sich die Arbeitgeber auf die Aussage dieses Briefes verlassen können, erscheint fraglich. Immerhin handelt es sich lediglich um eine Antwort des BMAS an die aba und nicht um eine allgemeine Klarstellung des BMAS oder einen Nichtanwendungserlass zum Gesetz. Da in den meisten Arbeitsverträgen jedoch eine Schriftformklausel (Änderungen/Ergänzung des ArbV nur schriftlich) enthalten ist, muss die Entgeltumwandlung bereits aus diesem Grund auch weiterhin schriftlich vereinbart werden, da sie eine Änderung/Ergänzung des Arbeitsvertrages darstellt."
Einer der größten Fehler in der betrieblichen Altersversorgung ist, wenn zwar eine Versorgungsordnung erstellt, diese aber nicht ordnungsgemäß in Kraft gesetzt wurde. Prüfen Sie daher, ob eine bestehende Versorgungsordnung überhaupt wirksam geworden ist.
Übersicht zu § 4a BetrAVG (Erweiterte Auskunfts- und Informationspflichten)
Rechtliche Grundlage der Auskunfts- und Informationspflichten
§ 4a BetrAVG Auskunftspflicht: Vorschrift zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.2015, in Kraft getreten am 01.01.2018
Was sagt der neue § 4a Betriebsrentengesetz (BetrAVG)?
Auf das Verlangen des Arbeitnehmers ist er zu informieren,
- ob und wie eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung (bAV) erworben wird,
- wie hoch der Anspruch aus der bAV ist und bei Erreichen der Altersgrenze der Versorgungsregelung sein wird,
- wie sich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Anwartschaft auswirkt,
- und wie sich die Anwartschaft entwickelt,
- verständliche Auskunft, in Textform und in angemessener Frist.
Die Informationen müssen zudem verständlich und in Textform erfolgen (zur Frist siehe unten).
Was ist „Verlangen" des Arbeitnehmers
Hier sind noch viele Rechtsfragen ungeklärt. Aber jeder Arbeitnehmer, der bereits eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung oder arbeitgeberfinanziert hat, dürfte damit auch zum Ausdruck gebracht haben, dass er an Informationen interessiert ist. Klar ist auch, dass es jederzeit auch formlos, auch durch sog. konkludentes Handeln (z.B. die Anwesenheit bei einer Info-Veranstaltung) geäußert werden kann. Gelegentlich wird dies auch nur gegenüber dem Dienstvorgesetzten geäußert, der dieses Verlangen manchmal gar nicht klar erkennen kann, weil ihm die Rechtslage nicht bekannt ist. Weil das so schwer nachzuvollziehen ist, kann kaum ein Arbeitgeber sicher sagen, dass noch kein Arbeitnehmer das Verlangen geäußert hat. Daher sollte davon ausgegangen werden, dass es geäußert wurde und der Arbeitgeber entsprechend reagieren.
Nachweisgesetz - § 2 Abs. 1 Nr. 6
Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer schriftlich die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts aushändigen. Hierzu gehören auch entgeltwirksame Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung. Diese Pflicht hat der Arbeitgeber auch ohne ein Verlangen des Arbeitnehmers. Das betrifft jedenfalls und mindestens den Arbeitgeberzuschuss nach §la Abs.1a BetrAVG.
Wesentlich für die Einrichtung der bAV: „Ob und wie eine Anwartschaft auf die bAV erworben wird"
Die für die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung wichtigste Änderung, ist die neue Verpflichtung des Arbeitgebers darüber zu informieren, ob und wie Anwartschaften erworben werden. Das ist bei der Einführung der betrieblichen Altersversorgung im Einzelfall zu betrachten, nur beispielhaft sollen einige Punkte benannt werden, auf die der Arbeitgeber hinweisen muss:
- auf Anfrage des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber nun wohl auch über den Entgeltumwandlungsanspruch informieren. So sieht es jedenfalls Höfer in seinem Kommentar zum BetrAVG, der als Standardwerk gilt (§ 4a Rn 69 Höfer Bd. I)
- Der Arbeitgeber muss mitteilen, wer Versorgungsanwärter ist (Bsp.: Arbeitnehmer fällt nicht unter Personenkreis, da er zulässige Altersgrenzen bereits überschritten hat).
- Auch Arbeitnehmer, die nicht oder noch nicht unter den geförderten Personenkreis fallen, müssen darüber informiert werden, dass sie nicht zum Versorgungskreis gehören und was sie tun können, um zum Versorgungskreis zu gehören.
Ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Bsp.: BAG — Urteil 21.11.2000 (3 AZR 13/00)
Den Arbeitgeber trifft keine allgemeine Vermögensschutzpflicht ggü. dem Arbeitnehmer, es sei denn er besitzt übergeordnetes Wissen und konnte erkennen, dass die Information für den Arbeitnehmer wichtig ist. Erteilt der Arbeitgeber Auskünfte, müssen diese richtig sein! Verweigerung der Auskunft, fehlerhafte oder unrichtige Auskünfte können dazu führen, dass ein Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch hat.
BAG-Urteil vom 21.01.2014 (3 AZR 807/11)
Keine Pflicht des Arbeitgebers zur Information über den Entgeltumwandlungsanspruch des Arbeitnehmers (Hinweis: das ist nach der Änderung von § 4a BetrAVG möglicherweise wieder anders). Damit folgte das BAG seiner ständigen Rechtsprechung, dass jedenfalls nicht über für alle einsehbare gesetzliche Regelungen zu informieren ist. In der Entscheidung gibt das BAG jedoch deutliche Hinweise, worüber der Arbeitgeber zu informieren hat, wenn der Arbeitnehmer die Entgeltumwandlung verlangt hat, nämlich über alles was der Arbeitgeber selbst beeinflussen kann (zum Bsp.: Durchführungsweg, Identität des Versorgungsträgers, Zusageart, Förderung, Versorgungs- und Versicherungsbedingungen, u.a.).
BAG — Urteil 18.02.2020 (3 AZR 206/18)
Auch im aktuellen Urteil findet sich keine Änderung zu dem Grundsatz, dass der Arbeitgeber keine allgemeinen Vermögensschutzpflichten treffen. Seien Sie aber vorsichtig, wenn Ihnen jemand erklärt, dass sich aus diesem Urteil Konsequenzen für die erweiterte Auskunftspflichten nach § 4a BetrAVG in der neuen Fassung vom 01.01.2018 ableiten lassen. Das Urteil behandelt einen Fall nach der Rechtslage vor der Gesetzesänderung und betrifft Informationspflichten für die Leistungsphase. Hieraus lassen sich für die aktuelle Rechtlage und für die Anwartschaftsphase keine Ableitungen treffen. Wichtig ist auch, dass das BAG seine ursprüngliche Rechtsprechung aus dem Jahr 2014 nicht aufgegeben hat (s.o.).
Was ist mit bestehenden bAV-Versorgungen
Besteht im Unternehmen eine betriebliche Altersversorgung, kann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer auch informiert werden möchte. Darin allein kann ein Verlangen liegen und der Arbeitgeber sollte zumindest diesen Arbeitnehmern gegenüber über die betriebliche Altersversorgung informieren.
Bis wann muss der Arbeitgeber informieren?
Selbst wenn es sicher noch keinen Arbeitnehmer gibt, der Informationen verlangt hat, ist die Frist nach § 4a BetrAVG zu beachten. Verlangt ein Arbeitnehmer Information, ist diese „in angemessener Frist" zu erbringen. Was genau das Gesetz unter angemessen versteht ist nicht eindeutig. Wegen des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung, hat der Arbeitgeber vermutlich nicht mehr als ein bis zwei Monate Zeit. Vermutlich wird es aber schwierig sein, in dieser Zeit alle notwendigen Informationen zusammenzutragen, weil der Arbeitgeber dazu auch Entscheidungen treffen muss (zum Bsp.: Welchen Produktgeber wähle ich? Welcher Durchführungsweg ist für mich der Beste? Gewähre ich meinen Arbeitnehmern eine zusätzliche Förderung?). In Unternehmen mit Betriebs- oder Personalrat muss dieser beteiligt werden. Daher sollte man als Arbeitgeber vorbereitet sein und entsprechende Regelungen erlassen.
Verjährung
Der Grundanspruch auf die Zahlung einer bAV (sog. Rentenstammrecht) verjährt nach 30 Jahren, § 18a BetrAVG. Unter das Rentenstammrecht fällt der grundsätzliche Anspruch auf eine bAV. Das sind z.B. Kapitalleistungen, der Anspruch auf die Verschaffung der Versorgung und auch der Anspruch auf Erhöhung der Versorgung aus § 16 BetrAVG. Die Frist beginnt erst bei Renteneintritt des Arbeitnehmers. Geht ein Arbeitnehmer mit 67 Jahren in Rente, kann er den Anspruch bei seinem ehemaligen Arbeitgeber (bzw. dessen Nachfolgern) etwa bis zum 97. Lebensjahr geltend machen.
Zusammenfassung:
Um Haftungsrisiken zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber vorbereitet sein und die arbeitsrechtlichen Unterlagen mit den erforderlichen Hinweisen und Informationen bereit haben, denn der Arbeitgeber kann sich kaum darauf zurückziehen, dass noch kein Arbeitnehmer eine bAV verlangt hat. Hierzu sind aber zunächst die erforderlichen Grundentscheidungen zu treffen:
- Festlegung eines bAV-Konzeptes
- Erstellen der arbeitsrechtlichen Unterlagen unter Berücksichtigung des bAV-Konzeptes
- Vorstellung des bAV-Konzepts im Einzelgespräch mit dem Arbeitnehmer
- Individualisierte Analyse und Berechnung
- Ausreichende Abwägung der Grundlagen
- Entscheidung und Dokumentation der Willens- und Wissenserklärung des Arbeitnehmers zum Versorgungsanspruch
Unser Fazit
Die Informationen, zu denen der Arbeitgeber verpflichtet ist, müssen entweder schriftlich (§ 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG) oder in Textform (§ 4a Abs. 4 BetrAVG) erstellt werden. Üblicherweise sind diese Informationen in einer Versorgungsordnung für die betriebliche Altersversorgung enthalten. Daher sollte jeder Arbeitgeber spätestens jetzt eine Versorgungsordnung erlassen (und ordnungsgemäß in Kraft setzen). Aber auch dann, wenn bereits eine Versorgungsordnung besteht, sind Arbeitgeber erneut aufgefordert, aktiv zu werden.
Was sollten Sie JETZT tun?
Prüfen Sie unbedingt, ob Ihre betriebliche Versorgungsordnung auf dem rechtlich aktuellen Stand ist.
Nach mehreren gesetzlichen Änderungen am Betriebsrentengesetz in den letzten Jahren ist das ohnehin erforderlich.
Wenn Sie Unterstützung benötigen, steht Ihnen unsere Betriebswirtin und zertifizierte Sachverständige für betriebliche Altersvorsorge, Frau Elke Scholz, und unser Fachanwalt für bAV gern zur Verfügung.
Wir unterstützen Sie gern bei der Prüfung, ob Handlungsbedarf besteht und welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
Bitte sprechen Sie uns an. Sie erreichen uns 24 Stunden an 365 Tagen
unser Kontaktformular (Gern rufen wir Sie zurück.)
oder telefonisch unter: +49-371-40399-50.
Text/Bearbeitung: KLEFFNER Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsgesellschaft mbH // Betriebswirtin f. betr. Altersvorsorge (FH) Elke Scholz // Vivian Leiteritz